ÜBER MICH

MEINE GESCHICHTE

Ich bin ein Kind der Arbeiterklasse.

Mein Vater verließ nach der 8. Klasse in der DDR die Schule und wurde Maurer. Meine Mutter beendete ihre schulische Laufbahn nach der 10. Klasse und absolvierte eine Ausbildung als Näherin für Herrenbekleidung. Mit 19 und 21 Jahren wurden sie Eltern – und dann fiel die Mauer. Ein politischer Umbruch mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen, der auch ihre berufliche Existenz auf den Kopf stellte.

Das Handwerk, das meine Mutter gelernt hatte, war in unserer kleinen Stadt plötzlich überflüssig. Es folgten Umschulungen, Übergangsberufe und prekäre Arbeitsverhältnisse: Fischgeschäft, Fotoladen, Drogeriemarkt, Modegeschäft. Wir waren irgendwann nur noch zu zweit und lebten von einem geringen Einkommen. Dass wir „arm“ waren, war mir als Kind nicht bewusst. Für mich waren arm diejenigen, die betteln mussten. Wir hatten Essen, Kleidung, Spielzeug – und vor allem Liebe. Den ökonomischen Wert der unbezahlten Care-Arbeit meiner Mutter erkannte ich erst später. Sie war nicht nur eine Einzelkämpferin, sondern bildete mit ihrer Arbeit, dem Haushalt und meiner Erziehung das Fundament einer Gesellschaft, die genau diese Leistung systematisch unterschätzt.

Seit 15 Jahren bin ich selbstständig. 2010, mitten in der Wirtschaftskrise, verlor ich meinen Job. Ich war 26, lebte erst seit zwei Jahren in Berlin, hatte mein Studium auf dem zweiten Bildungsweg absolviert – zuerst eine Ausbildung, dann das Fachabitur, schließlich das Studium. Die Wahl: Ein neuer Job oder Arbeitslosigkeit? Ich entschied mich für eine dritte Option: Selbstständigkeit.

Heute bin ich Unternehmerin. Inhaberin einer Agentur. Arbeitgeberin. Führungspersönlichkeit.

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, diese Begriffe für mich in Anspruch zu nehmen. Heute weiß ich: Eine Führungspersönlichkeit ist nicht nur die Person mit dem größten Budget oder dem prestigeträchtigsten Titel. Führung ist eine Haltung, geprägt von Verantwortung, Entscheidungsstärke und dem Willen, Dinge aktiv zu gestalten.

Ich bin eine von 15 Prozent.

Eine Frau aus einem Arbeiterhaushalt mit abgeschlossenem Studium.
Beim Master sind es nur 8 Prozent.
Promovierte? Gerade einmal 1 Prozent.

Bildung wird in Deutschland noch immer vererbt. Die soziale Mobilität ist geringer als viele glauben.

Meine Geschichte ist kein Einzelfall – aber sie darf nicht die Ausnahme bleiben. Aufstieg durch Bildung und Eigeninitiative sollte kein Glücksfall sein, sondern eine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen nicht nur Vorbilder, sondern strukturelle Veränderungen. Denn Talent ist gleich verteilt – Chancen sind es nicht.

Daran will ich arbeiten. Und ich will zeigen: Erfolg entsteht nicht über Nacht. Aber mit Mut, Fleiß und Überzeugung lassen sich selbst vermeintlich unüberwindbare Barrieren verschieben.


“In Deutschland bleibt Bildungsgerechtigkeit eine Baustelle. Kinder aus Arbeiterfamilien stoßen weiterhin auf strukturelle Hürden, die ihren Bildungsweg erschweren. Es braucht nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern echte Reformen, um Chancengleichheit unabhängig von sozialer Herkunft zu gewährleisten.”

Mareen Eichinger

Ich bin ein Kind der Arbeiterklasse.

Ich bin ein Kind der Arbeiterklasse.